Kollaborative Anwendungen wie MS Teams liegen im Trend, um die Zusammenarbeit und Kommunikation in Unternehmen zu verbessern. Ihr Einsatz stellt die Unternehmen vor Herausforderungen wie dem Umgang mit der Transparenz von Daten und vernetzt-selbstorganisiertem Arbeiten. Doch oftmals werden die Anwendungen lediglich freigeschaltet und die Nutzung bleibt den Beschäftigten überlassen. Eine vom SOFI herausgegebene Broschüre zu Gestaltungsempfehlungen verdeutlicht die Notwendigkeit gezielter Regelungen der Nutzung unter Beteiligung von Beschäftigten. Dabei sind die Besonderheiten der neuen Technik zu berücksichtigen, um desintegrative Effekte und Belastungen zu vermeiden.

„Der Einsatz von Kollaborationsplattformen ist kein Selbstläufer“, resümiert Dr. Marliese Weißmann die Erfahrungen aus ihrem jüngsten Projekt zu Team- und Projektarbeit, das sie gemeinsam mit der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen durchgeführt hat. „Wir können beobachten, dass die Unternehmen die Potenziale von Kollaborationsplattformen tendenziell überschätzen, aber die notwendigen Regelungen der Einführung und Nutzung unterschätzen. Beschäftigte fühlen sich nicht mitgenommen, wissen nicht, wofür sie die Anwendung verwenden sollen und wie sie sich zu den anderen IT-Anwendungen in Unternehmen verhalten. Die IT-Landschaft ähnelt so oft einem unübersichtlichen ‚Zoo‘ an verschiedenen Tools. Manche Beschäftigte fühlen sich in ihrer Arbeit kontrolliert.“

Kollaborationsplattformen sind ein neuer Typus internetbasierter Anwendungssysteme, die im Unterschied zu traditionellen E-Mails oder Wissensmanagementsystemen hohe Gestaltungsspielräume für die Nutzerinnen und Nutzer bieten: Auf der Plattform können zahlreiche Anwendungen flexibel kombiniert werden. Nutzerinnen und Nutzer können transparent firmenöffentlich kommunizieren und sich selbst in Gruppen, so genannten Communities, organisieren. Zudem sind die Plattformen von verschiedenen Endgeräten zu jeder Zeit und an jedem Ort nutzbar. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Nutzerinnen und Nutzer eine Schlüsselrolle haben. Sie müssen sich selbst ihre Nutzungsweisen individuell nach ihren Arbeitsanforderungen aneignen und einen sinnvollen Umgang mit der Plattform entwickeln. Mögliche Risiken der Nutzung sind dabei die Überforderung mit der Menge an Informationen und entgrenztem Arbeiten.

In den Unternehmen bestehen ganz unterschiedliche Nutzungsvoraussetzungen bei den Beschäftigten. „Die IT-Entwicklerin kennt sich in der Regel besser aus als eine Verwaltungsangestellte im Vertrieb“, so Marliese Weißmann. Für gutes und effizientes Arbeiten mit Kollaborationsplattformen empfehlen sie und ihr Co-Autor Dr. Thomas Hardwig von der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen, die Nutzerinnen und Nutzer sowie ihre konkreten Arbeitskontexte in den Mittelpunkt zu rücken. Für Einführungsprozesse und die Verständigung über die Nutzung der Plattformen ist es daher ratsam, Beschäftigte aus einem weiten Spektrum an Nutzergruppen umfassend einzubeziehen.

Zentral für die Gestaltung ist eine Balance von Vorgaben und Selbstorganisation zu finden, wie die Autoren festhalten: „Ein Beispiel ist hier Autonomie: Einerseits braucht es abgestimmte und vereinheitlichte Regeln der Nutzung, wie man Projektdateien grundlegend ablegt. Andererseits sollten sich die Nutzerinnen und Nutzer frei in der Handhabung und sich nicht kontrolliert fühlen.“
Eine grundlegende Voraussetzung für die Nutzung mit Kollaborationsplattformen ist eine vertrauensbasierte Kultur der Zusammenarbeit im Unternehmen. „Es ist ein geschützter Raum zu schaffen, in dem Beschäftigte Vertrauen haben, dass ihre Daten nicht gegen sie verwendet werden. Dafür ist der Umgang mit Transparenz und Kontrolle in Vereinbarungen oder durch eine Data Policy, die sich die Unternehmen geben, zu klären,“ betont Marliese Weißmann.

Das SOFI hat im Rahmen des Projekts „CollaboTeam“ (kollaborative Team- und Projektarbeit) eine Broschüre mit Empfehlungen für die betriebliche Arbeitsgestaltung inklusive der möglichen Regulierung in Betriebs- und Dienstvereinbarungen herausgegeben. Im Projekt CollaboTeam wurden gemeinsam mit der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen von 2017 bis 2020 78 Einzelinterviews und 11 Gruppendiskussionen mit Führungskräften und Beschäftigten aus unterschiedlichen Fachbereichen in drei Unternehmen durchgeführt. Darüber hinaus wurden 10 Gespräche mit Beschäftigtenvertreterinnen und -vertretern zu Erfahrungen mit der Regelung kollaborativer Anwendungen geführt.

Veröffentlichung:

„Arbeit mit Kollaborationsplattformen. Gestaltungsempfehlungen“ von Dr. Marliese Weißmann und Dr. Thomas Hardwig

DOI: https://doi.org/10.3249/ugoe-publ-6

Nähere Informationen zum Projekt „CollaboTeam“ finden Sie unter:

http://www.sofi.uni-goettingen.de/projekte/kollaborative-team-und-projektarbeit/…

https://www.collaboteam.de/home/

Weitere Informationen und Kontakt:

Dr. Marliese Weißmann
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V.
Tel.: +49 551 52205-0
E-Mail: marliese.weissmann@sofi.uni-goettingen.de

Dr. Jennifer Villarama
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V.
Tel.: +49 551 52205-19
E-Mail: kommunikation@sofi.uni-goettingen.de

www.sofi.uni-goettingen.de


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Marliese Weißmann
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V.
Tel.: +49 551 52205-0
E-Mail: marliese.weissmann@sofi.uni-goettingen.de


Originalpublikation:

https://doi.org/10.3249/ugoe-publ-6


Weitere Informationen:

http://www.sofi.uni-goettingen.de


Anhang

Empfehlungen für den Einsatz von Kollaborationsplattformen